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Kirstin Wulf - bricklebrit

Aktualisiert: 18. Feb. 2022

Die Global Money Week in Deutschland stellt sich vor, heute mit Kirstin Wulf von bricklebrit. Eltern. Kinder. Geld.


 

Kirstin Wulf von bricklebrit


Mein Name ist Kirstin Wulf und ich habe 2012 die Initiative bricklebrit. Eltern. Kinder. Geld. in Berlin gegründet. Seither biete ich Workshops, Vorträge und gemeinsame Spiele-Nachmittage für Eltern, Kinder und Familien in ganz Deutschland an. Seit zwei Jahren zusätzlich digital.


Ich nenne mich Über-Geld-Sprecherin, um große Hürden abzubauen, die es beim Über-Geld-Sprechen seit Generationen gibt. Der Fokus meiner Initiative liegt auf dem Lernort Familie. Denn zu einem guten Umgang mit Geld gehören der emotionale Zugang und die in der Kindheit geprägten Einstellungen, Werte und Glaubenssätze. Es sind die langjährigen informellen Lernerfahrungen im Elternhaus, die eine oftmals unterschätzte Wirkung im späteren Umgang mit Geld haben. Kindern lernen aus Beobachtung. Später durch Nachahmung und vor allem aus Erfahrungen. Diese lassen sich schon früh mit dem eigenen Taschengeld machen. Dazu gehört mein Drei-Gläser-Konzept, mit dessen Hilfe sich viele Kompetenzen früh, breiter und nachhaltiger erlernen lassen als mit herkömmlichen Sparschweinen.



Wieso denke ich, dass Finanzbildung in Deutschland wichtig ist?


Finanzbildung beginnt klein und unscheinbar. Mit Kindern über Geld zu reden war schon immer wichtig. Heute ist es aufgrund der wachsenden Komplexität, der frühen Rolle von Kindern als Zielgruppe sowie der Virtualität im Umgang mit Geld wichtiger als je zuvor.


Ich wünsche mir, dass schon junge Menschen einen positiven und aufgeklärten Zugang zum Thema Geld erhalten. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Kinder schon mit zwei Jahren im Visier von Handel, Konsum und Werbung stehen. Mit Milliarden-Etats werden sie unmittelbar in ihrem Handeln, Denken und Fühlen manipuliert. Wir stehen in der Verantwortung, Kinder wenigstens darüber aufzuklären (wenn wir diese Prozesse schon nicht verhindern können), mit dem Ziel, dass sie die Strategien und Zielsetzungen durchschauen und eigene (andere?) Werte entwickeln können. Kinder brauchen vor diesem Hintergrund das Rüstzeug, um die Kontrolle über ihr finanzielles Leben zu erlangen, zu behalten und/oder nicht zu verlieren.


Wenn es mit meinem Engagement gelingt, an verschiedenen Orten die Chancen zu erhöhen, dass Kinder darüber hinaus als Erwachsene auf die Überzeugung der Notwendigkeit sowie die Motivation zurückgreifen können, sich mit ihren Finanzen zu beschäftigen, habe ich mein Ziel erreicht. Kinder haben das Recht auf eine gute Kindheit. Das schließt das Recht ein, dass wir sie in diesen Zeiten bestmöglich auf ein selbständiges Leben vorbereiten.


Ich betreibe übrigens keine Eltern-Schelte, wenn dies nicht, zögerlich oder verzerrt geschieht. Ich unterstütze alle, die es wollen, mit kreativen, alters- und alltagsbezogenen Ideen, die Interesse wecken und Spaß machen. Das Leben liefert die besten und wunderbarsten Gelegenheiten für Finanzbildung. Ich bin überzeugt, nicht nur in Deutschland.



Was fällt mir spontan zum GMW-Motto 2022 ein?


Ziel meiner Arbeit in den vergangenen 10 Jahren war es, Familien zu motivieren, mit Kindern über Geld zu sprechen, damit diese schon früh eine bessere finanzielle Grundbildung erhalten.


Seit Jahrzehnten engagieren sich eine Vielzahl an Organisationen und Initiativen mit Programmen und Projekten in Deutschland, entsprechende Impulse bei unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu setzen. Auch wenn Gruppen, Inhalte und Methodiken variieren, eint alle das Ziel, mehr für die finanzielle Bildung in Deutschland zu tun. Die Vernetzung untereinander ist gut und bei den diversen Zusammenkünften drehen sich die Gespräche meist um die Fragen nach der besseren Erreichbarkeit der Menschen oder der nachhaltigen Wirkung der Arbeit. Wichtig zu erwähnen ist, dass es international ebenfalls herausfordernd ist, Menschen für das Thema finanzielle Bildung zu begeistern.


„Gestalte Deine Zukunft, sei clever im Umgang mit Geld“ — so lautet die freie Übersetzung des diesjährigen internationalen GMW-Mottos. Was mir dazu einfällt?


Oberflächlich ist es ein gutes Motto. Wer will die enge Verknüpfung des Umgangs mit Geld in der Gegenwart mit den finanziellen Gestaltungsoptionen der Zukunft bestreiten? Für jeden von uns gilt es zu verhindern, morgen mit leeren Händen dazustehen. Und es ist in vielen Fällen erstrebenswert, die individuellen Handlungsspielräume zu konsolidieren oder gar zu vergrößern.


Eine etwas andere Auseinandersetzung mit den Gründen, die Menschen haben, sich nicht oder nicht ausreichend ihren Finanzen zuzuwenden, hat mich zu einer ganz anderen Frage gebracht: Warum setzen wir voraus, dass die Mehrheit dieser Menschen vorrangig ein Theoriedefizit hat? Und dass wir ausschließlich mit einer breiteren und vertieften Vermittlung von Finanzwissen nachhaltige Erfolge erzielen? Ja, es gibt entsprechende Studien, die die Bedeutung des Finanzwissens und ihre Vermittlung belegen. Gleichzeitig werden auch international Zweifel geäußert, dass dieser Weg ausreichend ist.


Lasst mich die Perspektive wechseln. Das ist nur möglich, indem ich kurz von mir erzähle, die ich 2012 die Initiative bricklebrit. Eltern. Kinder. Geld. gegründet habe. Vor einigen Jahren bekam ich eine für mich weitreichende Diagnose. Ich habe ADHS. Was das ist? Eine umfassende Beschreibung dieser genetischen Disposition wäre hier vermutlich nicht der richtige Ort. Wichtig ist jedoch Folgendes: ADHS wird unter anderem als Umsetzungsdefizit beschrieben. Menschen haben Pläne, müssen allerdings in vielen Lebensbereichen feststellen, dass es nicht selbstverständlich ist, diese zu implementieren. Wer diese Erfahrung macht oder machen muss — nicht zuletzt, wenn Diagnose und Behandlung fehlen — hat nicht selten das Gefühl, zu versagen. Träume bleiben Träume, Visionen unerreichbar.


Auch wenn die Zahlen noch schwanken, es wird davon ausgegangen, dass etwa 5 Prozent der Kinder- und Jugendlichen in Deutschland ADHS hat.



Worauf will ich hinaus?


In den Ohren dieser Menschen kann das diesjährige GMW-Motto anders klingen als es positiv gemeint ist.


Menschen mit Finanzproblemen, deren Zustandekommen sich durch eine Disposition wie ADHS erklären lässt (nicht verbunden mit einer pauschalen Rechtfertigung), haben ein Umsetzungsdefizit. Somit werden Kampagnen, die auf Überzeugung und Aufklärung setzen, als Unterstellung interpretiert, man wisse ja nicht, was gut und richtig sei. Denn wüsste man dies, würde man es schließlich ändern .... Mitnichten!


Ist es das Ziel, mit dem diesjährigen GMW-Motto kommunikative Hürden abzubauen und neue Personengruppen anzusprechen, so ist es gleichzeitig möglich, dass das Gegenteil bewirkt wird. Das wäre schade. Noch schlimmer wäre es, wenn sich die genannten Personengruppen (und vielleicht noch weitere) aufgrund dieser kommunikativen Stoßrichtung abwenden und es in Zukunft noch komplizierter sein wird, zu ihnen durchzudringen. Das wiederum wäre nicht nur individuell schmerzlich, es wäre auch gesamtgesellschaftlich nicht zu akzeptieren. Zahlreiche Untersuchungen zeigen die Zusammenhänge zwischen der Disposition ADHS und diversen Problemen im Umgang mit Geld. Demzufolge müssen spezifische und angepasste Hilfen entwickelt und verbreitet werden. Im angelsächsischen Raum gibt es eine Diskussion zu diesem Thema, in Deutschland finden sich leider keine entsprechenden Foren.


Für alle, die meine Ausführungen an dieser Stelle lesen und denen es schwerfällt, meinen Worten zu folgen: Ich weiß sehr wohl, dass es nicht leicht ist, die Irrationalität im Handeln von Personen mit diesen (und anderen) Problemen nachzuvollziehen. Ich bitte mich nicht falsch zu verstehen: Nicht jeder Mensch mit ADHS ist mit (extremen) Finanzproblemen konfrontiert.


Es ist mir jedoch wichtig deutlich zu machen, dass wir es hier mit keinem Randphänomen zu tun haben, für dessen Lösung die Individuen allein die Verantwortung tragen. Wir werden in Zukunft gut beraten sein, diesen Bereich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu betrachten, um Veränderungen einzuleiten und Hilfsangebote (nicht nur) für diese Personengruppe und ihren spezifischen Bedarf zu erweitern.



Was plane ich für die Global Money Week 2022?


Im Rahmen der Global Money Week 2022 werde ich einen Impuls-Vortrag über den Zusammenhang von ADHS und den Umgang mit Geld anbieten. Im Anschluss stehe ich für eine Diskussion mit Frage-Runde zur Verfügung.


Finanzbildung für Menschen mit ADHS, die nicht auf die Besonderheit dieser Disposition abgestellt ist, hat nicht nur eine eingeschränkte Wirkung. Sie kann sogar kontraproduktiv sein. Das Wissen darüber ist hierzulande unbekannt. Als Über-Geld-Sprecherin mit ADHS ist es somit mein Anliegen, dazu beizutragen, dass wir anfangen, offen zu sprechen, wenn es um Finanzbildung für diese Personengruppe geht.



Für wen könnte mein Vortrag interessant sein?


Für alle. Dies können Menschen mit ADHS sein, Menschen, die mit ADHS privat oder beruflich zu tun haben oder Kolleg:innen aus Beratungseinrichtungen, die zuletzt häufiger mit der Diagnose und spezifischen Geld-Problemen konfrontiert wurden. Und für alle, die bei sich selbst oder im Umfeld einen irgendwie auffälligen Umgang mit Geld feststellen.


Als Über-Geld-Sprecherin repräsentiere ich die Seite der Finanzbildung. Als ADHS-Frau die Menschen mit ADHS.


Ich bin gespannt, ob es gelingt, das Thema gemeinsam ans Licht zu holen. Ich freue mich auf alle, die dabeisein wollen.


Wer bereits im Vorfeld Kontakt zu mir aufnehmen möchte, erreicht mich unter info@bricklebrit.net


Viele Grüße aus Berlin

Kirstin



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